DOPPELPUNKT April 2018

März 2018 Seite 21 Advent im Flachgau belegt und der örtlichen Erin- nerung noch präsent ist ein ge- waltiger Bergsturz am 2. April 1907, der beim damaligen Sommerfrischehotel Lueg ein großes Stück Jungwald von der Gamswand in denWolfgangsee beförderte. Meterhoch türmten sich die Erd- und Steinmassen auf der Trasse der damaligen Reichsstraße und der Isch- lerbahn, von der 100 Meter Gleise im See verschwanden. Augenzeugen berichteten, dass die Seeoberfläche zehn bis 18 Meter zurückwich. Angesichts der gewaltigen Naturkräfte, die viele St. Gilgener anfangs für ein Erdbeben hielten, kamen glücklicherweise keine Perso- nen zu Schaden. Die ausgelös- te Flutwelle im See blieb nicht ohne Folgen: Knapp zwei Ki- lometer entfernt gingen auf der Veranda des Gasthauses Für- berg Scheiben zu Bruch, als die aufgepeitschten Wassermassen das gegenüberliegende Seeufer erreichten und bis zu 220 Meter landeinwärts vordrangen. Doch damit nicht genug: Die Rück- welle richtete sich bei Lueg bis zu acht Meter auf und riss eini- ge für den eben aufkeimenden Fremdenverkehr aufgestell- te Badehütten um. Zuggäste mussten für einige Monate auf die Wolfgangseedampfer und Plätten als Schienenersatzver- kehr umsteigen. Wald unter Wasser Fürberg-Besitzer Bernhard Ebner kann die unter Einheimi- schen noch heute als „Orutsch“ bekannte Stelle im See heute noch gut ausmachen, wenn er im Fischerboot unterwegs ist: „Im klaren Wolfgangseewasser ist der ertrunkene Bergwald ein beliebter Tummelplatz für die Fische, unter der Wasserober- fläche stehen die Bäume kreuz und quer“, so Ebner, zu dessen Leidwesen sich die Fischernet- ze gelegentlich im Geäst ver- fangen. Dramatischer Lok-Absturz Etwasmehr als vier Jahrzehn- te später sorgte ein Felssturz auf der oberösterreichischen Seite der Scharflinger Höhe für zwei Todesopfer. Der Mitter- nachtszug der Ischlerbahn stieß unmittelbar nach einer Tunnel- ausfahrt in eine kurz zuvor ab- gegangene Felslawine, die die Schienen weggerissen hatte. Die Lok stürzte dabei mehr als 60 Meter den Abhang hinun- ter. Heizer und Lokführer star- ben dabei, der tote Lokführer wurde mit verkrampfter Hand am Bremshebel gefunden. Er hatte versucht, eine schlimme- re Katastrophe zu verhindern. Die Fahrgäste in den auf den Gleisen verbliebenen Waggons kamen mit dem Schrecken da- von. Bröckelnder Aussichtsfels als Kletter-Dorado Unruhe im Fels hat auch dem Plombergstein, von des- sen Gipfel sich nördlich von St. Gilgen ein prächtiger Blick über den See eröffnet, seine steilen, heute bei Kletterern begehrten Wände beschert. An seinem Fuß haben die he- rabgestürzten Brocken ein bi- zarres Labyrinth geformt. Die Steinklüfte mit Felsspalten re- gen die Fantasie an. Dort, wo Die Lokomotive der Ischlerbahn stürzte 60 Meter ab. Der Lokfüh- rer und sein Heizer kamen dabei ums Leben. Bild: Sammlung Helmut Fritz stürzten nicht ab und alle Fahrgäste überstanden die Katastrophe un- im Halbdunkel unter Felsblö- cken die Luft ganzjährig kühl und feucht ist, lädt die „Kalte Kuchl“ mehr zu abenteuerli- chem Entdecken als zur Jau- senrast ein. Kurioses über Gren- zen hinweg. Die Salz- burger Grenzfälle ver- sammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bil- den eine aufschlussreiche Lek- türe zu Geschichte, Landeskun- de und Politik des Bundeslan- des. Der Autor Stefan Mayer beschäftigt sich seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten in und um Salzburg. Er gestaltet die monatliche Serie „Grenzfäl- le”, von der bereits vier Bücher erschienen sind. Band 4 kann imWebshop des Landes (www. landversand.salzburg.gv.at ) um 6,90 Euro bestellt werden. Di- gitale Versionen aller vier Bän- de stehen dort zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung. gangsee

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