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I ch glaube, es ist mir niemand ernsthaft böse, wenn ich jetzt sage: Ein bisserl ein Spinner war der Franz Gsellmann schon. Aber auch ein Träumer und Fan- tast, ein Getriebener, ein Perfektionist mit großem handwerklichen Geschick, vielleicht sogar ein Genie. Und trotzdem war er bis an sein Lebensende nicht wirklich zufrieden, weil eines hat er nicht geschafft: Eine Maschine zu bauen, die etwas produziert oder einen Sinn hat, den jeder Mensch sofort erkennen kann. T rotzdem pilgern inzwischen jedes Jahr tausende Besucher zu dem Bau- ernhof im Weiher Kaag in der Gemein- de Edelsbach in der Südoststeiermark, auf dem Franz Gsellmann bis 1981 ge- lebt und dort 23 Jahre lang an seiner Welt- maschine gebastelt hat. Heute ist es die Enkelgeneration vom Franz, die die Maschine am Laufen hält und interessierten Besuchern bei Füh- rungen die Geschichte dieses Unikums erzählt. Wenn dann die Maschine ange- worfen wird, kommst aus dem Staunen nicht mehr heraus. Da gibt es praktisch kein Teil, das sich nicht dreht, pfeift, klopft oder blinkt. Dazu braucht´s 25 Elektromotoren und hunderte Glühbir- nen. Kein Wunder, dass Franz Gsellmann das ganze Tal stromlos machte, als er sei- ne Maschine zum ersten Mal ausprobie- ren wollte. Erst neue Leitungen, stärkere Sicherungen und die fachmännische Be- ratung durch einen Elektriker ließen die Maschine dann so laufen, wie sie es bis heute noch tut. Dabei wollte Franz Gsellmann nie eine Weltmaschine bauen. Ihm schwebte ein Perpetuum mobile vor. Also eine Maschi- ne, die sich ohne fremde Energie, nur an- getrieben von der eigenen Kraft, endlos bewegt. Dass es das nach allen Gesetzen der Physik nicht geben kann, interes- sierte Franz Gsellmann aus der Südost- steiermark nicht. Und als er 1958 ein Bild vom Atomium als Wahrzeichen der Weltausstellung in Brüssel sah, veränder- te das schlagartig sein Leben. Gsellmann fuhr nach Brüssel und begann danach an seiner Maschine zu bauen. Fast Tag und Nacht hat er ab diesem Zeitpunkt jedes Teil in seine Maschine integriert, das er nur finden konnte und hat damit für die Nachwelt Einzigartiges geschaffen. Um die Genialität der Maschine zu erken- nen, musst du sie genau betrachten und kommst dann aus dem Staunen nicht mehr heraus. Eine Radkappe eines alten Jaguars sorgt für Lichteffekte, ein Küh- lergebläse eines Porsches macht quiet- schende Pfeiftöne, Matrazenfedern hal- ten Elektromotoren und überall taucht das Atomium als Blickfang auf. Richtig in Fahrt gekommen, macht die Maschine einen Höllenlärm und taucht den Raum in ein wechselndes Farbenspiel. Es weht ein Wind, es pfeift eine Sirene, klingelt ein Telefon, quietscht ein Riemen und es rattert ein völlig unbekanntes Ding, das Franz Gsellmann vermutlich einmal ir- gendwo auf einem Flohmarkt gefunden hat. In der Mitte dreht sich eine große Kugel und dazu blinken Blaulichter einer alten Feuerwehr. Diese Aufzählung ließe sich endlos (vielleicht ist das jetzt das Perpetuum mobile) fortsetzen. Weil wer nur lange genug schaut, entdeckt immer wieder Neues und staunt über immer mehr Details und Dinge, die Franz Gsell- mann mit viel Begeisterung und großem handwerklichen Können in seine Ma- schine integriert hat. Und auch wenn die Maschine im Endeffekt nichts kann, gibt es nicht ein unnötiges Teil daran. 23 Jahre war für Franz Gsellmann die Maschine der Mittelpunkt seines Lebens. Im Laufe dieser Zeit hat er seine Fami- lie und die Arbeit am Bauernhof immer mehr vernachlässigt und bis zu seinem letzten Tag auch jeden Groschen seiner ohnedies eher kargen Rente in die Ma- schine gesteckt. Ob die Maschine tasäch- lich jemals fertig geworden wäre, bleibt ein Rätsel. Obwohl Franz Gsellmann an- geblich kurz vor seinem Tod am 2. Juli 1981 im Alter von 71 Jahren zu seiner Frau gesagt haben soll: „Die Maschine ist jetzt fertig. Ihr könnt damit machen, was ihr wollt.“ Mehr Bilder und ein Vi- deo auf www.flachgau.tv im Bereich Reisen. Rupert Lenzenweger Der STRAWANZER Sabine Gruber mit der Weltmaschine, die der Großvater ihres Lebensgefährten gebaut hat. Bild: Rule Großer Traum eines kleinen Bauers
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