DOPPELPUNKT Jänner 2020

Seite 2 Meinungen Jänner 2020 A lle Jahre wieder: Wir haben den Redaktions- Kaffeesud der vergangenen Wochen nicht auf dem Kom- posthaufen entsorgt, sondern fleißig gesammelt. Um daraus für Sie, liebreizende Lese- rin, wohlwollender Leser, die Zukunft zu lesen. Und somit erfahren Sie exklusiv und nur jetzt bei mir, wa s uns 2020 bringen wird. JÄNNER. Die Koalitionsver- handlungen ziehen sich weiter in die Länge. Inzwischen ver- handeln Kurz und Kogler 24 Stunden am Tag und verlas- sen den Konferenzraum nicht mehr. Um etwas gegen den körperlichen Verfall der beiden Verhandler zu tun, erklärt sich der Seekirchner Künstler Mi- chael „Honzi“ Honzak bereit, zweimal wöchentlich für Kurz und Kogler ein Gulasch zu ko- chen. FEBRUAR. Nachdem das Hal- lenbad für den Flachgau mehr oder weniger beschlossene Sache ist, lässt die SPÖ jetzt mit einem weiteren Vorschlag aufhorchen: Gefordert wird ein ganzjährig betriebenes Eis- stadion im Flachgau, nachdem eine Statistik schonungslos auf- gezeigt hat, dass nur ein Drittel der schulpflichtigen Kinder Schlittschuh laufen kann. In einer Region, in der mehr oder weniger regelmäßig Seen zu- frieren, sei das eine untragbare Situation. Meinen die Sozia- listen. Dass das Eisstation den Namen „Rendi Wagner“-Arena tragen soll, wird von offizieller Seite nie bestätigt. MÄRZ. In Köstendorf ent- decken Biologen eine äußerst seltene Erdläuseart, die es an- sonsten nur auf der kleinen Pazifikinsel Nauru gibt. Diese wissenschaftliche Sensation hat zur Folge, dass ab sofort im gesamten Gemeindegebiet nicht mehr gegraben werden darf. Davon betroffen sind auch Hobbygärtner, die ihr Hochbeet für den Frühling umgraben möchten. Um das Grabverbot zu kontrollieren, werden extra geschulte Organe von privaten Wachdiensten eingesetzt. APRIL. Nachdem es auf der Mattigtalbahn durch die schnelleren Triebwägen plötz- lich Zeiten gibt, an denen kein Zug fährt, möchten die Betreiber des Erlebnisparks Fantasiana in diesen Pausen eine Westerneisenbahn kreisen lassen. Weil sich aber die Suche nach passenden Lokomotiven als ziemlich aufwändig heraus- stellt, springt das Mondseer Sal zkammergutlokalbahn- museum in die Presche. Den Fantasianabetreibern werden die Lokomotive Nummer 5204 und der Kaiserwaggon als Übergangslösung angeboten. Alle sind begeistert. Dennoch scheitert das Projekt, weil sich schon nach den ersten zweihun- dert Metern bei der Probefahrt zeigt, dass die Spurweite der Mattigtalbahn zu breit für die alte Ischlerbahn ist. MAI. Die Koalitionsverhand- lungen laufen noch immer auf vollen Touren. Der einzige ge- meinsame Nenner auf den sich Kurz und Kogler bisher ge- einigt haben: Sie können das Gulasch von Honzi nicht mehr sehen und bitten den Seekirch- ner Künstler in einem offen Brief inständig darum, seine Aktivitäten als Hobbykoch ein- zustellen. Honzi ist darüber gar nicht so traurig, weil er in nächster Zeit die Kochlöffeln ohnedies zum Trommeln ge- braucht hätte. JUNI. In Köstendorf kommt es zu spektakulären Verhaftun- gen. Betroffen davon sind alle Vorstandsmitglieder der ÖBB die bei einem großen Festakt den Spatenstich für den Bau des Tunnels der Hochleistungsbahn durchführen wollten und offen- sichtlich nichts vom strengen Grabungsverbot in der Gemein- de gewusst haben. Die Spaten werden von den privaten Wa- cheorgane beschlagnahmt. Der zur kleinen Zehrung nach dem Spatenstich vorgesehene und extra aus Russland eingefloge- ne Royal Oscietra-Caviar wird an die Altenheime der Umge- bung verteilt, weil das weiche Zeugs leicht auch ohne Zähne zu beißen ist. JULI. DerKlimawandel schlägt wieder voll zu. Praktisch kein Tag mit Temperaturen unter 40 Grad. Als der Wallersee auszu- trocknen droht, taucht plötzlich das Gerücht auf, die ÖBB könnten das riesige Loch dazu nützen, um hier das Tunnel- Aushubmaterial zu entsorgen. Woher dieser Blödsinn stammt lässt sich nicht feststellen, weil die ÖBB-Manager nach ihrem gesetzlosen Auftritt beim Spa- tenstich in Köstendorf allesamt noch in U-Haft sitzen. AUGUST. Nachdem es be- reits 2019 mit der Entdeckung der römischen Straßenstation Tarnantone in Neumarkt eine archäologische Sensation gab, können die Wissenschaft- ler noch einmal jubeln. Bei Nachgrabungen beim Gutshof in Pfongau können sie jetzt eindeutig klären, wieso die Be- wohner schlagartig den Hof verlassen und seinem Schick- sal überlassen haben. Die Archäologen finden Teile von Hinkelsteinen und jede Menge abgenagter Wildschweinkno- chen. Damit wird schlagartig klar: Asterix und Obelix waren da. SEPTEMBER. Höhepunkt des kulturellen Sommers in Seeham ist ein Abend an dem Peter Handke Liedtexte von Wolfgang Ambros liest. Mit sonorer Stimme hantelt sich der Literaturnobelpreisträger von „A Mensch möcht i bleibn“ über „es lebe der Zentralfried- hof“ bis zu „Skifoahrn“. Das Publikum rezitiert die Texte be- geistert und frei aus den Köpfen heraus mit. Als Peter Handke klar wird, dass praktisch al- le Österreicher die Texte von Wolfgang Ambros auswendig können, aber es kaum jemand in der Alpenrepublik gibt, der auch nur zwei zusammenhän- gende Sätze aus einem seiner Romane zitieren kann, schleu- dert er ein „Leckt´s mich doch am Arsch“ in die Menge. Erst als Handke daraufhin auch auf- steht und geht begreifen die Seebühnen-Besucher, dass es sich dabei um einen Wutaus- bruch des Poeten handelt und nicht um ein neues Lied von Wolfgang Ambros. OKTOBER. H. C. Strache und Frank Stronach werden gemeinsam mit einem umtrie- bigen Politiker aus Seekirchen (Name der Redaktion bekannt!) beim Hofwirt in Seekirchen gesichtet. Sofort sind sich Polit- kenner sicher: Da wird eine neue Partei aus der Taufe ge- hoben. Das würde ganz gut passen, weil die Sondierungs- gespräche zwischen türkis und grün dauern noch immer an. Gerüchten zufolge hat nach Honzis Rückzug McDonald´s die kulinarische Versorgung der Verhandlungspartner über- nommen. NOVEMBER. Heftige Herbst- winde haben in Munderfing dazu geführt, dass die Wind- räder viel zu viel Strom erzeugt haben. Nachdem alle Elektro- autos geladen und alle sonstigen Verbraucher in Betrieb ge- nommen wurden, werden die Besitzer von Einfamilienhäu- sern gebeten, diese jetzt schon mit möglichst energierauben- den Weihnachtsbeleuchtungen zu schmücken. Während viele Munderfinger dieser Bitte nicht folgen, wird im angrenzenden Flachgau dieser Vorschlag mit Begeisterung aufgenommen. Wovon sich derzeit jeder selbst überzeugen kann. DEZEMBER. Die Koalitions- verhandlungen laufen noch immer und in der Zeitung DOPPELPUNKT erscheint ei- ne ganzseitige Entschuldigung, weil bis auf die zähen Regie- rungsbildungespräche nichts von dem eingetreten ist, was im Jahr zuvor großspurig als Jah- resvorschau angekündigt war. Alle Schreiberlinge schwö- ren Besserung, beginnen aber gleich damit, den Kaffeesud für das nächste Jahr zu sammeln. Man weiß ja nie ... 2020: Von Erdläusen in Köstendorf bis zur Handke-Lesung auf der Seehamer Seebühne

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