DOPPELPUNKT Jänner 2020

WEIHNACHTEN IM FLACHGAU Jänner Eine wahre Geschichte Ein Dorf in Unterfranken in den 1960er Jahren. Der 24. Dezember begann mit herrlichem Sonnenschein. Es war trocken, kalt und klar. Es klirrte vor Kälte. Der Bauer schaute sich auf seinem Hof um. Alles war sauber, die Tiere versorgt und zufrieden. Er hatte Zeit. Aus der Küche duftete es weihnachtlich herüber, und ein wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus. „Ich fahre nochmal in den Wald!“, rief er seiner Frau zu, die mit hochrotem Kopf am Herd werkelte. Von Jutta VALENTINI-SASS Es hatte geschneit, der Weg lag weiß und unberührt vor ihm, die Bäume, wie von En- gelshand, leicht bezuckert. So schön war der vorweihnacht- liche Tag schon lange nicht mehr. Er fühlte sich in die Kindheit zurück versetzt und fuhr langsam zu seinem Wald. AmWaldrand stellte er das Au- to ab und machte sich zu Fuß auf in die verschneite weiße Pracht. Alles war wie verzau- bert. So schritt er dahin, ganz in seine Kindheitsträume ver- sunken ... Doch da, er bog um eine Kurve – ein Auto, allein, ver- lassen beim näheren Hinse- hen. Stirnrunzelnd ging er tie- fer in den Wald hinein, suchte Deckung, das Auto immer in Sichtweite. Lange stand er und lauschte in die Stille. Ab und zu knackte ein Ast oder es fiel et- was Schnee von den Bäumen. Gut, dass er sich so warm an- gezogen hatte. Da, er hörte Stimmen und tatsächlich nä- herten sich ein Mann und eine Frau. Sie stapften auf das Auto zu. Zwischen sich trugen sie eine herrliche Tanne. Unserem Beobachter stockte der Atem. Diese Tanne, sein ganzer Stolz, nun eine Leiche! Unmut und Trauer zugleich stiegen in ihm hoch. Als die beiden den Baum verladen wollten, löste er sich aus sei- nem Versteck und ging energi- schen Schrittes auf die Räuber zu. Diese ließen vor Schreck den Baum fallen. Die Frau wurde blass, der Mann bekam einen puterroten Kopf. Der Bauer hatte sich wieder gefasst und sagte mit ruhiger Stimme: „Das ist mein Wald und mein Baum. Ich könnte Sie anzeigen, denn ich habe Ihre Autonummer. Aber weil heute Heiliger Abend ist, verzichte ich darauf, wenn Sie mir drei Strophen eines Weihnachts- liedes vorsingen. Dann kön- nen Sie diese Tanne als Weih- nachtsbaum behalten.“ Die beiden überraschten „Waldfrevler“ erholten sich von ihrem Schrecken und gingen alle bekannten Weih- nachtslieder durch. Sie fingen an zu streiten. Nichts passte. Das eine Lied war zu kindlich, von dem anderen konnten sie nur eine Strophe, beim nächs- ten waren sie sich in der Me- lodie nicht sicher. Endlich ei- nigten sie sich auf „O du fröh- liche“ und sangen tatsächlich, etwas zittrig und jämmerlich, alle drei Strophen. Der Bauer gab ihnen die Hand, dankte für das Lied und wünschte ihnen „Fröhliche Weihnachten!“ Im Sommer danach, Ernte- zeit. Wer denkt da noch an Weihnachtserlebnisse? Der Mähdrescher lief auf Hochtouren, Gewitter waren angesagt. Peng! Aus! Die alte Maschine gab mitten im Feld ihren Geist auf. Der herbei- gerufene Mechaniker meinte, eine Reparatur lohne sich nicht mehr. Ein neuer Mähdrescher musste her und zwar sofort. Der Bauer eilte zu seiner Bank, er brauchte ein Darlehen zu mög- lichst tragbaren Konditionen. Seine Hausbank konnte keine günstige Lösung bieten. Schnell zu einer zweiten und dritten Bank! Vielleicht hat er dort mehr Glück? Aber die Ent- scheidung ist dem Chef vorbehalten. Der Landwirt wird zum Direktor ge- führt. Der Bauer, schwitzend, nieder- gedrückt, den Hut in der Hand, klopft an und tritt ein. O Schreck. Hin- ter dem Schreib- tisch erhebt sich der „Sänger aus dem Weihnachts- wald“! Beide stehen wie versteinert. Aber dann löst sich die Span- nung. Ein gegen- seitiges Wieder- erkennen. Frohes Gelächter erfüllt den Raum. Das Darlehen wurde ge- nehmigt. Ps.: Ich hätte den Bauern den Schlager singen lassen: „Wer soll das bezahlen?“ Die Bücher aus dem Zeitgut- Verlag gehören fast schon so zu Weihnachten, wie der Christ- baum oder der Adventkranz. Heuer ist der 14. Band der Serie „Unvergessene Weihnachten“ erschienen und enthält auf 192 Seite 31 besinnliche und heitere Zeitzeugen-Erinnerungen wie auch die hier abgedruckte Kurz- geschichte. Das Buch kostet 10,90 Euro und ist im Buchhandel aber auch online auf www.zeitgut. com erhältlich. ISBN: 978-3- 86614-280-0. Ihre in den vergangenen Monaten geschaffenen Wer- ke präsentierten kürzlich die Mitglieder des Krippen- bauvereins Seekirchen im Foyer des Stadtamtes. Die vielen Besucher konnten über 40 Krippen im heimatli- chen und im orientalischen Stil bewundern. Unter den begeisterten Gästen war auch Landtagsabgeordneter Dr. Josef Schöchl, der den Mitgliedern des Krippen- bauvereins zu ihren Kunstwerken gratulierte: „Die Krippenbauer setzen die für unser Land so wichtige Tradition fort und erzählen die Bibel ohne Worte.“ Im Bild von links Andreas Huber, Christine Wimmer und Michael Schmidhuber vom Seekirchner Krippenbau- verein und Landtagsabgeordneter Dr. Josef Schöchl. Die Krippe im Vordergrund wurde von Franz Gmachl gebaut. Bild: Schöchl Krippenausstellung in Seekirchen mit 40 Meisterwerken

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