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Seite 31 der schon, der mir diese Ge- schichte erzählt hat und wahr ist die Geschichte auch. Weil so etwas kannst dir ja gar nicht ausdenken. Also horch zu: Eine Bank im Mondsee- land hat´s einmal schlimm er- wischt. Dreimal in einem Jahr ausgeraubt. Klingt jetzt viel, ist aber zu wenig, als dass die Angestellten eine Routine dafür bekommen hätten. Al- so jeder Banküberfall etwas ganz besonderes. Nervosi- tät pur und nachher bist fer- tig, das sag ich dir. Ein freier Nachmittag reicht da nicht zur Erholung. Wieso ich auf Nachmit- tag komme? Weil der bisher letzte Bankräuber ist kurz vor Mittag in die Bank ge- sprungen. Schwarzer Roll- kragenpulli, schwarze Hose, schwarze Motorradsturm- haube, schwarzer Plastiksack, schwarze Pistole, tiefe Stim- me: „Geld oder Leben.“ Oder so. Der Mann in schwarz schiebt den schwarzen Sack unter der Glasscheibe zum Schalter durch: „Alle Scheine da hinein. Aber zack, zack, dalli, dalli, sonst knallt´s“. Also genau sind diese Worte jetzt nicht überliefert. Aber in etwa so dürfte es schon ge- klungen haben, als der Räu- ber Beute gefordert hat. Was sollst da jetzt tut, als junges hübsches Ding hinter dem Schalter. Mit den Reizen spielen? Ein bisserl Bein oder Busen zeigen? Darauf hast jetzt als Bankbeamtin in die- ser Situation gar keine Lust, auch wennst sonst so alle Männer schlagartig fast wil- lenlos machen kannst. Und ob der Bankräuber in dieser Situation den weiblichen Rei- zen erliegt, mag ich jetzt auch bezweifeln. Weil der will nur so schnell wie möglich wie- der weg. Also taten auch in diesem Fall alle vier Damen hinter den Schaltern das, was jeder vernünftige Mensch in dieser Situation tun würde. Sie ris- sen die Arme hoch. Nur die hinter dem zweiten Schalter vom Eingang links nicht. Die musste nämlich den schwar- zen Sack in Empfang neh- men und stopfte das ganze Geld aus ihrer Kasse in den Sack. Damit war der Räu- ber noch nicht zufrieden. Er wollte auch die Scheine von den Kassen an den anderen Schaltern. Na klar hat er die bekommen. Was dazu führte, dass der Sack ziemlich voll war, als ihn die Bankbeamtin wieder durch den Schlitz im Schutz- glas nach draußen schieben wollte. Sie begann zu drücken und zu schieben, aber der Sack rührte sich nicht mehr von der Stelle. Eingeklemmt, halb draußen, halb drinnen und nix geht mehr. Das ist jetzt auch für den Bankräu- ber blöd. Der muss zuschauen wie sich die Arme hinter dem Glas quält. Die Zeit vergeht und nicht nur jeder Bank- räuber weiß: Je schneller ein Überfall absolviert wird, des- to größer sind die Chancen für eine glückliche Flucht. Und jetzt kommt´s: Der Bankräuber hat einen gedank- lichen Kurzschluss. Legt die Pistole weg, um mit beiden Händen am Geldsack zu zie- hen. Weil gemeinsam müsste es doch zu schaffen sein. Und siehst, vielleicht hat es sich jetzt doch ausgezahlt, dass die Kassiererin in den vergangenen Monaten schon dreimal überfallen wurde. Weil sofort hat sie gesehen: nur Spielzeugpistole! Billiges Teil vom Kirtag. Nicht einmal Metall, nur Plastik. „Die Pistole ist nicht echt!“ Du kannst dir jetzt gar nicht vorstellen, wie befreiend die- ser kreischend vorgetragene Schrei wirkte. Auch von den anderen drei Frauen fiel so- fort die Starre ab, die sie in den vergangenen Sekunden gelähmt hatte. Dafür ver- fiel jetzt der Bankräuber in eine Starre. Augenblicke lang wusste er nicht, was er tun sollte. Weiter am Sack zie- hen? Sofort die Flucht antre- ten? Oder so tun, als wäre die Pistole doch echt? Und wäh- rend er diese drei Möglich- keiten im Kopf durchdachte, war es auch schon zu spät. Wie Furien stürzten sich die vier Bankbeamtinnen auf den Mann, prügelten auf ihn ein, brachten ihn auf die Knie und malträtierten ihn mit Fußtrit- ten. Acht spitze Stöckelschu- he gegen die Weichteile eines am Boden liegenden Körpers. Wer da Sieger bleibt, brauch ich jetzt wohl nicht erwähnen. Der Mann hatte jetzt wirk- lich Pech. Er war nämlich der erste der vier Bankräuber in diesem Jahr, der nicht mehr flüchten konnte. Deshalb be- kam er auch die Schläge für alle ab. Schier besinnungslos schlugen die Bankbeamtin- nen auf den Mann ein. Dass schließlich auch die Polizei anrückte, hat der Kerl gar nicht mehr bemerkt. Er hat- te zu dem Zeitpunkt längst das Bewusstsein verloren. Wie ein Boxer, der es ge- wagt hatte, sich gegen einen übermächtigen Gegner in den Ring zu stellen. Die Polizisten mit Kom- mandant Karl Schrempf an der Spitze hatten jetzt drei Dinge zu tun. Erstens mussten sie die rabiaten Frauen vom Bankräuber trennen. Dazu war sogar ein bisserl Gewalt notwendig. Dann mussten sie den Bankräuber in Sicherheit bringen und drittens: Einen Rettungswagen organisieren, der den immer noch bewusst- losen Bankräuber direkt ins nächste Krankenhaus brachte. „Wir konnten den Mann erst Tage später vernehmen und da war er aufgrund der vielen Schwellungen im Ge- sicht auch nur sehr schwer zu verstehen. Er zeigte sich geständig, wollte die Bank- beamtinnen für ihren Ge- waltausbruch nicht wegen Körperverletzung anzeigen und bezeichnete den ganzen Banküberfall als blöde Idee“, war im Abschlussprotokoll der Polizei zu lesen. Auch wenn es sich um den Mann jetzt nachträglich be- trachtet offensichtlich um einen bankräubertechnischen Laien gehandelt hat, dürfte sich selbst in der professionel- len Bankräuberszene der Vor- fall rasch herumgesprochen haben. Weil wie ist es sonst zu erklären, dass die Bank in einem Jahr gleich viermal, in den darauffolgenden fünf Jahren aber kein einziges Mal mehr überfallen wurde? Juli 2020 Kurzgeschichte
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