VOLLMOND 1-2018

ich in einem einzigen Satz un- terbringen: Die Montenegri- ner sind schlechte Autofahrer, dafür aber umso rücksichtslo- ser. Es ein richtiges Erlebnis, sich einmal auf einen Super- marktparkplatz zu stellen um den wildgewordenen Aus- und Einparkenden zuzuschau- en. Würdest du so ein Chaos- Video auf Facebook sehen, du würdest es garantiert als Fake einstufen. Hinaus aus der Stadt und quer über den Berg war das Motto unseres nächsten Ta- ges. Nicht nur weil wir damit dem Verkehr entlang der Küs- te entgehen, sondern auch, weil hinter dem Berg mit dem Skutarisee ein weiterer Nati- onalpark auf uns wartet. Mit einer Fläche bis zu 540 Qua- dratkilometer (je nach Was- serstand) ist dieser See neben dem Garadsee der größte See Südeuropas. Gleichzeitig bil- det der Skutarisee die Grenze zu Albanien und wir treffen hier auch wieder den Moraca- Fluss. Aus dem reißenden Ge- birgsfluss, durch dessen Tal wir bis zu unserem Abstecher ins Ortrog Kloster gefahren sind, ist ein träger Strom ge- worden, der den Skutarisee zu 60 Prozent speist. Das restli- che Wasser kommt aus meh- reren unterirdischen Quellen. Zu Mittag verlassen wir die Gebirgsstraße und parken unsere Motorräder direkt am Seeufer. Die Speisekarte in der kleinen Konoba ist übersicht- lich, verspricht aber feinsten luftgetrockneten Schinken. Den möchte ich, ist aber lei- der schon aus. Und weil ich jetzt nicht gerade ein Freund von Lammfleisch und Schafs- käse bin, gibt´s schließlich nur Tomatensalat für mich. Rupert jun. hingegen mag all das, was mir nicht schmeckt und so kämpft wenigstens er sich wacker durch die Spei- sekarte. Bevor bei so manch geneigtem Leser jetzt der Eindruck entstehen sollte, in Montenegro wird man nicht satt, möchte ich klipp und klar sagen: das täuscht. Ich finde, dass gerade der südliche Bal- kan mit Bosnien, Montenegro oder Serbien eine exzellente Küche bietet. Das Gemüse ist frisch, der Fisch kommt direkt aus dem Meer und das Fleisch stammt von Tieren auf der Weide. Es muss ja nicht unbe- dingt Lamm oder Schaf sein. Um unseren Hunger zwi- schendurch zu stillen, halten wir immer wieder bei Stän- den am Straßenrand an. Hier bieten in erster Linie Bäue- rinnen ihre Spezialitäten an. Von gekühlten Melonen bis zum Kümmelschnaps, von filigranen Stickereien bis zum Met reicht das Angebot. Honig scheint überhaupt sehr beliebt zu sein. Das unterstrei- chen nicht nur die vielen Bie- nenstöcke die überall in der Landschaft stehen, sondern auch das grenzenlose Ange- bot. Honig kannst in beinahe jeder Form an jeder Straßene- cke kaufen. Wir haben eine wunder- schöne Tagestour durch das Rumija-Gebirge hinter uns, als wir von Cetinje kommend steil hinunter nach Kotor sto- ßen. Nach jeder Serpentine müssen wir stehen bleiben und den Blick genießen. Und bei jedem Stopp kommt uns die alte Stadt in der wohl schöns- ten Bucht der Adria noch hübscher vor. Wir parken an der Seepromenade gegenüber von riesigen Motoryachten, turmhohen Segelbooten und Kreuzfahrtschiffen, aus deren Bäuchen tausende Touristen drängen um die nur wenige Schritte entfernte Altstadt zu überfluten. Diese Invasion ist aber schnell wieder vorbei, weil auf dem einwöchigen Weg durch Europa für einen Landgang in Kotor halt doch relativ wenig Zeit bleibt. Es ist aber nicht zu übersehen: Kotor ist gerade dabei, sich zu einem neuen Zentrum der oberen Zehntausend zu entwi- ckeln. Ob es wirklich schon in nächster Zeit das neue Mo- naco sein wird, wie die Mon- tengriner behaupten, traue ich mir jetzt nicht zu sagen. Aber ein verschlafener Ort ist es garantiert nicht mehr und der Trubel dauert beinahe schon das ganze Jahr über. Sehr zum Missfallen so mancher Einheimischer. „Den ganzen Tag Stau, Lärm und überall so viele Leute. Wenn das in dem gleichen Tempo weiter- geht, wie es sich entwickelt hat, dann weiß ich nicht, was in fünf Jahren hier los sein wird“, klagte uns eine ältere Montenegrinerin in einem Su- permarkt ihr Leid, nachdem sie uns als „arme“ Motorrad- fahrer eingestuft hat, die sich mit dem Notdürftigsten im Supermarkt versorgen müs- sen, und nicht als Neureiche, die sich mit ihrem Ps-strot- zendem Motorboot im Som- mer die Freizeit an der Adria vertreiben. Unseren letzten Abend im Land der Schwarzen Berge verbringen wir in Kotor. Wir schlendern durch die alten Straßen und mein Sohn kra- xelte sogar hinauf auf die alte Festung. Nur für ein paar Fo- tos von Kotor bei Nacht. Ich sitze derweilen unter einem riesigen Sonnenschirm im Schatten, lasse mir von einer schwarzhaarigen Schönheit mit mandelbraunen Augen hin und wieder ein frisches Bier bringen und schaue dem bun- ten Treiben rings um mich zu. Und weil inzwischen auch die Temperatur auf ein erträgli- ches Maß gefallen ist, kann ich mir wirklich keinen schöneren Platz als Ende unserer 2.000 Kilometer langen Rundreise durch Montenegro vorstellen. Nix mit Vorankündigung. Von einem Meter auf den anderen ist die Straße nur mehr eine schier end- lose Baustelle. Oft geht´s durch nur roh in den Stein gesprengte Löcher durch den Berg. Tunnelbeleuchtungen gibt´s natürlich keine. Wennst jetzt von der hellen Sonne in den Tunnel fährst siehst genauo so viel, als ob dir jemand plötzlich die Augen zuhalten würde. Seite 49

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