VOLLMOND 1-2019
März 2019 SAGE AUS DEM MONDSEELAND s war vor langer, lan- ger Zeit, da fanden einige Bürger auf einem Spa- ziergang am Mondseeufer ein merkwür- diges Tier, das sie früher nie gesehen hatten. Es war ein Krebs. Sie blieben stehen und betrachteten es eine Zeit lang nachdenklich. Der gescheiteste unter ihnen glaubte schließ- lich, es sei ein ganz besonderer Vogel, worauf ihm die übrigen zustimmten. Sie nahmen das Tier vorsichtig und behutsam mit sich und sperrten den ver- meintlichen Vogel in einen Vo- gelkäfig. Sie erwarteten, dass er nun auch bald schön singen werde. Doch sie täuschten sich. Nachdem der seltsame Vogel nicht singen wollte, be- schlossen sie, das Tier zu be- strafen. Der Vogel sollte im See ertränkt werden. Gesagt, getan. Sie gingen wieder mit- einander zum Mondsee und warfen den zappelnden Krebs in den See. Dieser fühlte sich natürlich im Wasser sehr wohl und freute sich des Leben. Die Geschichte wurde bekannt und den Mondseern aber blieb seit jener Zeit der Name: Krebsen- tränker. Die Zeller Schratzen „Aus Ärger und Rachsucht haben´s uns den Spitznamen aufbracht, die Mondseer!“ verteidigt sich ein Zeller. „Krebsentränker!“, das haben halt die Herrn Marktbürger wegen ihrer Schildbürgerstrei- che öfters hören können, wenn sich so ein Oberseer oder Zel- ler Bäuerlein in den Dischgur mischte. Also die Schratzen, mit rechten Namen Barsche, sind die häufigsten Fische im Irrsee. Sie haben eine dicke Haut und Stacheln an den Flossen, mit denen sie sich hie und da aufbürsteln. Das sind freilich keine schlech- ten Eigenschaften, aber etwas hat es übrigens bei „an iadn“ (bei jeden), und das ist beim Schratzen das Schauen. Mitten im schönsten Urwald der Was- serpflanzen, bei den Pflöcken und Piloten und wo immer ihm was unterkommt, wenn es nicht schon steht, so bleibt er stehen und schaut und schaut. „Es wird ja auch sein tieferen Gründe haben, aber wissens, auf das spielens an, die Mond- seer, doch wie gesagt, es ist nur Äger und Rachsucht.“ Information zur Sage Ein Gegenstück zu den Mondseer Krebsentränkern sind die Zeller Schratzen. Der Schratz (ein barschartiger Fisch) steht oft auf einem Fleck und hat wie alle Fische die Au- gen offen und schaut. Nun soll den Zellern Mondsee früher wie eine kleine Stadt vorge- kommen sein. Sie sollen wie die Fische mit großen Augen vor den Mondseer Geschäfts- auslagen gestanden sein. Da- her wurden die Zeller von den Mondseern Zeller Schratzen genannt. Von solchen Neckereien blieben auch andere Orte nicht verschont. So hatten die Unter- acher den Spitznamen Nebel- fanger, die Oberwanger wur- den Hirschjäger oder Konrad- schinder genannt. Sagenquelle aus dem Buch: Wundersames Mondseeland. Sagen, Legenden, Erzählungen für Kinder und Erwachsene. Gesammelt und neu erzählt von Anton Reisinger, illustriert von Agneta Gräfin von Almeida, Verlag omnipublica, ISBN-10: 3-9502162-4-3, Euro 14,00 Verkauf: in allen drei Mondseer Museen und unter info@museummondsee.at Bild: TVB Mondseeland
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTA1MzE0