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Das etwas andere Interview

Seite 11

September 2015

I

ch sag jetzt einmal so: An

so heißen Tagen wie die-

sen sind T-Shirts durchaus

ok. Aber sonst mag ich die

Leiberl nicht so gerne. Nicht

weil sie kratzen oder unange-

nehm zu tragen wären. Nein,

ganz und gar nicht. Das einzige

was mich daran stört ist, dass es

keine Brusttaschen gibt, in die

man Kugelschreiber stecken

kann.

Ich habe in jedem Sakko

mindestens zwei Kulis und in

jedem Hemd steckt auch einer.

Dann finden sich auch noch in

diversen Hosentaschen Kugel-

schreiber, die oft nicht mehr

ganz heil sind. Weil schon oft

passiert: Hinsetzen, knacks,

Kuli abgebrochen. (Sackinnen-

seite schwarze Flecken, würde

meine Frau jetzt noch anfü-

gen).

Was ich jetzt damit sagen

will? Kugelschreiber begleiten

uns auf Schritt und Tritt und ich

weiß gar nicht, wie oft wir ei-

nen Kuli am Tag benützen. Wir

greifen einfach danach, weil er

da ist. Meistens halt ...

Kugelschreiber gibt es in un-

endlich vielen Arten und Aus-

führungen. Es gibt sie als ganz

billige Wegwerfprodukte oder

als sündteure Schreibgeräte aus

allen Edelmetallen.

Wenn ich jetzt aber spontan

Kugelschreiber sage: Woran

denken Sie? Richtig. An den

blauen Kuli von Bic. Der mit

dem sechseckigen durchsichti-

gen Schaft und dem Stöpsel mit

der Klemmspange, die meist

zerbissen ist, vom vielen Nach-

denken vor dem Schreiben.

Heuer wird der Bic-Kugel-

schreiber 65 Jahre alt. Da ha-

ben wir ein Expemplar zum

Interview gebeten.

65 Jahre ist doch schon ein

gewisses Alter. Sie scheinen

aber immer jung zu bleiben.

Wie machen Sie das?

Kugelschreiber:

„Ich glau-

be, das liegt daran, dass ich ein

perfektes Produkt bin. An mir

gibt es seit 65 Jahren nichts zu

verbessern. Also, wenn es ei-

nen Evergreen gibt, dann bin

ich das.“

Sie müssen ja unendlich viele

Geschwister haben.

Kugelschreiber:

„80 Milliar-

den Brüder und Schwestern in

verschiedenen Ausführungen

habe ich in den vergangenen

65 Jahren gehabt. Wir sind also

wirklich eine Großfamilie. Ist

ja auch kein Wunder. Die Fir-

ma Bic ist weltweit der mit Ab-

stand größte Kugelschreiber-

hersteller.“

Wie hoch ist die Lebenser-

wartung eines Kugelschrei-

bers?

Kugelschreiber:

„Das ist jetzt

ganz unterschiedlich. Man-

che leben nur wenige Stun-

den, weil sie brechen, verlo-

ren gehen oder irgendwo hin-

rollen wo sie dann bis zum St.

Nimmerleinstag liegen bleiben,

weil sie niemand mehr findet.

Grundsätzlich kann man mit ei-

nem Bic-Kugelschreiber eine

gut zwei Kilometer lange Linie

ziehen. Früher wurde damit ge-

worben, dass man mit mir etwa

100 Briefe schreiben kann. Dar-

unter kann sich jetzt niemand

mehr etwas vorstellen. Weil wer

schreibt noch Briefe?“

Wer schreibt überhaupt noch

etwas mit der Hand?

Kugelschreiber:

„Unterschät-

zen Sie mir die Leute nicht.

Es gibt noch viele Menschen,

die sich lieber handschriftli-

che Notizen machen, anstatt ir-

gend so ein elektronisch-digita-

les Zeugs dafür zu verwenden.

Gehören Sie nicht auch zu de-

nen ...?“

... Ah, ja, schon. Ich schrei-

be mir gerne Sachen auf

und mache mir ausführ-

liche Notizen. Aber das

ist auch berufsbedingt.

Andere Frage. Wer hat

Sie überhaupt erfun-

den?

Kugelschrei-

ber:

„Mein geistiger

Vater ist der Ame-

rikaner John Loud.

Der hatte die Idee

mit der Mine und

der Kugel. Das

erste Patent auf

einen

Kugel-

schreiber hatten aber

die ungarischen Brü-

der László und Ge-

org Biró 1938. Als die

Ungarn 1944 die bri-

tische Luftwaffe mit

30.000 Stiften beliefert

haben, war der Sieges-

zug des Kugelschreibers

nicht mehr aufzuhalten und

der ,Pal Pen , wurde auch in

Amerika ein Massenprodukt.

In Österreich und Deutsch-

land waren die ersten Kugel-

schreiber kaum erschwinglich.

Bis ich auf den Markt gekom-

men bin ...“

Sie sind aber längst mehr als

nur ein Wegwerfartikel. Sie

haben Kultstatus erreicht.

Kugelschreiber:

„Das kann

man so sagen. Einer meiner

Brüder ist im New Yorker Mu-

seum of Modern Art in der Ab-

teilung für Architektur und De-

sign zu sehen. Dort steht übri-

gens auch ein Geschwisterl von

mir. Das billige, ovale Feuer-

zeug, das seit 1972 unverändert

gebaut wird und für viele Men-

schen genauso zum täglichen

Leben gehört, wie ich.“

Interview: Rupert Lenzenweger

Seit 65 Jahren

unser täglicher

Begleiter

Viele kritzelten die ersten Buchstaben mit ihm. Manche schrieben

ihre ersten Liebesbriefe mit ihm. Wir alle brauchen ihn für

die täglichen Notizen. Der Bic-Kuli hat Geburtstag.