

2015
nach Mallorca und das war
zu einer Zeit, als der Lau-
da noch seine Flieger hatte.
Und angeblich hat der Lauda
den Flieger nach Mallorca
sogar selbst gesteuert. Aber
das ist jetzt wirklich nur ein
Gerücht. Wobei man schon
sagen muss, dass damals ei-
gentlich alle Leute immer mit
dem Lauda selbst in den Ur-
laub geflogen sind. Haben sie
halt dann daheim am Stamm-
tisch erzählt. Vielleicht haben
sie das aber nur verwechselt.
Weil der Lauda hatte ja immer
ein Kapperl auf. Aber Piloten
auch. Jetzt kann es schon sein,
dass da so mancher etwas ver-
wechselt, wenn er so von hin-
ten ins Cockpit geschaut hat.
Da saß ganz ohne Zweifel ei-
ner vorne mit einem Kapperl
auf dem Kopf. Und wie schon
gesagt: Kapperl auf, hieß da-
mals auch gleich, dass das der
Lauda ist.
Dem Vorderroider war das
egal. Viel wichtiger war ihm,
dass er wieder heil herunter
kommt und dass das Essen
wirklich so gut ist, wie ihm
seine Freunde vorgeschwärmt
haben. „Eschlböcks Hauben-
küche ist nichts dagegen“,
hat der Obmann Franz schon
Wochen vor dem Flug seinen
Vereinsmitgliedern den Mund
wässrig gemacht. Damals war
der Eschlböck in Scharfling,
hatte x Hauben und war ös-
terreichweit so etwas wie der
Urmeter für gehobene Küche.
Aber wie gesagt, ist schon ein
Zeiterl her.
Es gab Hühnchen im Flie-
ger. Genauer gesagt: Steiri-
sches
Mais-Junghühnchen
mit frischem Gemüse, einer
exotischen Soße an kleinen
Erdäpferln. Dazu, eh klar,
Tomatensaft. Henderln am
Teller kennt der Vorderroider
seit seiner Kindheit, weil er
seit seiner Geburt auf einem
Bauernhof lebt und dort Dut-
zende von Hühnern gehalten
wurden. Erdäpferln kennt der
Vorderroider auch. Was er
aber nicht kannte, war die-
ser abgepackte Zitronensaft,
der sich in einem sonnengel-
ben Sackerl mit einer auf-
gedruckten Zitrusfrucht auf
verschweißten Löschpapier
befand. Und obwohl der Vor-
derroider mit aller Kraft das
Papier zwischen seinen Fin-
gern drückte, kamen nur ganz
wenige Tropfen Zitronensaft
auf das Hendl. Ziemlich un-
praktisch das Ding. Dachte
sich der Vorderroider und
griff zur Selbsthilfe, indem
er das Hendl mit dem Tücherl
einfach einschmierte. Das
ging besser als diese Ausdrü-
ckerei und schon glänzte der
Vogel feucht.
„Und, habe ich zu viel ver-
sprochen“, fragte Obmann
Franz, der neben dem Vorder-
roider am Fensterplatz saß.
„Ist das ein Vogerl?“ Dabei
verdrehte er die Augen, als
würde er Engerl im Himmel
singen hören.
Der Vorderroider sagte
nichts. Weil zum einem kaute
er gerade an einem Stückerl
Henderl herum und zum an-
deren schmeckte für ihn der
Vogel ganz und gar nicht wie
mit Mais aufgezogen, son-
dern nach Abwaschfetzen.
Gut. Das Hendl war zarter als
ein Fetzen. Aber sonst? Noch
gab sich der Vorderroider aber
nicht geschlagen. Er würgte
und kaute, zögerte das Schlu-
cken so lange wie möglich
hinaus und wenn es gar nicht
mehr ging, ließ er das Henderl
auch nur in kleinsten Brocken
durch seinen Schlund rut-
schen. Irgendwann ging aber
nichts mehr. Das war, als er
das Hendl noch nicht einmal
halb vertilgt hatte. Er schob
das Gerippe mit den restli-
chen Fleischfetzen um Ober-
schenkel und Flügerl auf dem
viel zu kleinen Plastikteller
so gut es ging zur Seite und
schaffte so Platz für das Ge-
müse und die Erdäpfeln. Die
hatten zwar auch irgendwie
den Geschmack des Hendls
angenommen, aber bei wei-
tem nicht so schlimm, dass
man sie nicht hätte essen kön-
nen.
„Fertig?“, fragte die Ste-
wardess, als sie das Plastikge-
schirr abräumte. Der Vorder-
roider nickte nur. Du musst
wissen, dass ihm zu diesem
Zeitpunkt die Oberlippe
brannte und sich seine Zun-
ge irgendwie taub anfühlte.
Dass man in diesem Zustand
nicht viel sagen will, wird je-
der verstehen. Und trotzdem
kam dem Vorderroider ein
Schrei des Entsetzens aus, als
ihm die Stewardess ein klei-
nes Papiersackerl mit einer
aufgedruckten Zitrone un-
ter die Nase hielt und fragte:
„Brauchen´s vielleicht noch
ein zweites Reinigungstü-
cherl, um sich die Hände ab-
zuwischen?“
Wer kennt jetzt nicht den
Spruch von der Schaden-
freude, die irgendwie die
schönste Freude sein soll. In
dem Moment hat das für Vor-
derroiders Vereinskollegen
garantiert gestimmt. Weil die
lachten plötzlich blöd. Ich
sag dir was. Da hätte dir der
Vorderroider auch leid getan.
Weil wennst jetzt glaubst,
dass niemand des Vorderro-
iders Missgeschick bemerkt
hätte, dann irrst dich gewal-
tig. Und nachdem du das jetzt
weißt,wirst dir weiter denken
können, dass alle diebisch
zugeschaut haben, wie der
Vorderroider sein Hendl mit
dem Reinigungstücherl ab-
gewischt hat. Aber glaubst,
es hätte einer etwas gesagt?
Schöne Freunde. Aber wer
kennt das nicht aus eigener
Erfahrung. Wie heißt´s: Wer
solche Freunde hat, braucht
keine Feinde mehr. Oder so
ähnlich halt. Ihr wisst schon
was ich meine.
Dass bereits nach der Lan-
dung wieder beste Stimmung
herrschte, ist der Gutmütig-
keit des Vorderroiders zu ver-
danken. Nachtragend? Ach
woher. Und als ihm im Duty
Free-Shop die Kollegen noch
eine Flasche Whisky kauf-
ten, war auch der Geschmack
nach frischen Reinigungstü-
cherl rasch verschwunden.
Kurzgeschi cht en
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Von Josef R. GHEZZI