Die blauen Schuhe aus Gjirokastra

40 Euro? frage ich ungläubig nach, als mir die hübsche zierliche Frau den Preis für die Schuhe nennt, die sie in ihrem Eckgeschäft am Bazar von Gjirokastra in Mittelalbanien zum Kauf anbietet. Die Schuhe sind handgemacht. Gefallen mir auf Anhieb. Slipper und Halbschuhe zum Binden in verschiedenen Farben. Von schwarz über grau und vielen Brauntönen bis hin zu blau. Die Blauen gefallen mir besonders gut. Mein Frage, ob ich die Schuhe auch einmal anprobieren kann, scheint die Frau geahnt zu haben. Denn noch bevor ich überhaupt etwas sagen kann, hält sie mir den Schuhlöffel entgegen. Den hätte ich aber nicht gebraucht. Alle Schuhe sind mir zu groß. Die blauen sowieso. Und auch von den brauen und den schwarzen passt kein einziges Paar. Ich zucke resignierend mit den Schulter. Leider, murmle ich und möchte gehen. „Kein Problem“, sagt Nanja. So hat sich die Verkäufern in gutem Deutsch vorgestellt. „Wann fährst du denn weiter?“, fragt sie. „Morgen am Vormittag“ antworte ich. „Passt“, lacht die hübsche Zierliche und während sie zum Handy greift erklärt sie mir, dass ihr Mann der Schuster ist, der diese Schuhe herstellt. Den ruft sie jetzt an und der soll mir in der Nacht passende Schuhe machen. Wir sollen im Restaurant gegenüber etwas essen oder trinken, bis er da ist.

Nach einer Portion „Meetbowls“ und zwei Korce-Biere schauen wir wieder im Geschäft an der Ecke vorbei. Der Schuster wartet schon auf mich. Mit Leisten und Maßband. Ob er noch genug blaues Leder hat, kann er jetzt nicht sagen. Aber wenn es alternativ auch hellbraune Schuhe sein dürften, dann würde er sich gleich an die Arbeit machen. Und weil mir die Schuhe auch in braun ganz gut gefallen und ich noch nie in meinem Leben handgemachte Schuhe hatte, aber schon für so manchen Supermarkt-Schrott wahrscheinlich aus chinesischer Produktion viel mehr als 40 Euro bezahlt habe, sage ich zu.

Natürlich hatte der Schuster genug blaues Leder. Und als ich am nächsten Tag um 9 Uhr vor Nanjas Geschäft eintreffe, zieht der Meister gerade die Schuhbänder ein. Diesmal brauche ich den Schuhlöffel. Die Schuhe passen perfekt. Darüber scheinen Nanja und ihr Mann noch glücklicher zu sein, als ich. Wir bedanken uns tausend Mal. Ich für meine ersten handgemachten Schuhe, die in Nachtarbeit entstanden sind. Das Ehepaar für den Auftrag und den verlässlichen Kunden, als der ich mich erwiesen habe. Zum Abschied bekomme ich noch ein Paar Schuhbänder als Reserve vom Schuster und und von Nanja einen Kühlschrankmagneten, der ihr Eckgeschäft im Bazar von Gjirokastra zeigt. So kann ich nie vergessen, wo ich handgemachte Schuhe bekomme. Falls die neuen Blauen einmal so ausgelatscht sind, dass meine Frau der Meinung ist, dass sie ausrangiert gehören.

Rupert Lenzenweger

Der Bazar von Gjirokastra. Da hat auch Nanja ihr Geschäft, in dem sie die handgemachten Schuhe ihres Mannes verkauft. Bilder: Rule