

Die bunte Seite des Flachgaus
Mai 2016
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April 2016
Dopp lpunkt - Kunterbunt
E
s gab Zeiten, da war das
Radio noch nicht zur reinen
Berieselungsmaschine verkom-
men. Da gab es zwischen den
Liedern noch Beiträge, bei de-
nen man zuhören musste, um
sie zu begreifen. Unvorstellbar,
aber wirklich wahr: Da wur-
de oft minutenlang nur gere-
det und keiner schrie alle paar
Sekunden hysterisch, dass jetzt
der neueste Hit zu hören sein
wird. Da wurden nicht die Se-
kunden bis zum nächsten Wo-
chenende heruntergezählt und
der Volksrocker Andreas Gaba-
lier war noch gar nicht geboren.
Ob diese Zeit besser war, kann
ich jetzt nicht sagen. Aber Ra-
diohören war noch interessant.
Meistens halt.
Ich habe mir besonders ger-
ne das „Magazin für die Frau“
angehört. Klingt jetzt vielleicht
lächerlich. Stimmt aber. Diese
Sendung hat eine Viertelstun-
de gedauert, wenn mich meine
Erinnerung nicht trügt. Und es
gab verschiedene Beiträge und
hin und wieder den Karl Plo-
berger. Der muss damals ein
junger Bursche gewesen sein
und gekannt haben den nicht
viele, aber gewusst hat der Karl
schon damals alles. Zum Bei-
spiel, wie lange es dauert, bis
eine Orchidee an einem
340 Grad ausgerichteten
Fenster mit einem Baum
davor die Blüte abwirft.
Oder wieso der Efeu im
Garten des Hörers B.
immer braun wird, oder
wann man Buchenhe-
cken schneiden muss,
oder wann Apfelbäume
veredelt werden müssen.
Einmal hat der Karl erzählt,
wie das funktioniert, dass aus
kleinen Kernen in Töpfen am
Fensterbankerl stattliche Para-
deisstauden oder üppige Pfef-
feronipflanzen werden. Das hat
mir gefallen. Und ich habe es
probiert.
Seither ist das Radio aus-
schließlich zu einer schlimmen
Berieselungsmaschine verkom-
men, den Karl Ploberger kennt
inzwischen auch jeder, weil er
aus dem Fernseher lacht, auf je-
dem Pflanzenprospekt abgebil-
det ist und in fast jeder Gärtne-
rei irgendwann einmal im Laufe
des Frühlings einen Sprechtag
hält. Ja, es hat sich viel verän-
dert in diesen Jahren. Was sich
nicht verändert hat, ist, dass aus
kleine, in die Erde gedrückte
Kerne große Pflanzen werden,
auf denen vieles wächst und
gedeiht, das im Herbst geern-
tet werden kann. Für mich ist
dieses Kerndl in die Erde ste-
cken zu einer liebgewordenen
Tradition geworden. Ich mach
das, ohne jede Professionalität
in Anspruch zu nehmen.
Spätestens nach dem Weih-
nachtsurlaub beginnt mein
grüner, oder sollte ich eher sa-
gen, mein erdiger? Daumen zu
jucken und ich beginne in den
Kaffeefiltertüten zu wühlen, in
die ich das ganze Jahr über Ker-
ne von Früchten stecke, die ich
besonders mag. Die großen grü-
nen Pfefferoni vom
B i l l a ,
d e n
Spitzpaprika vom Spar oder die
Paradeiser vom ADEG. Oder
die Samen von den Pfefferonis
meiner Bekannten Shana, oder
ein paar Paradeissamen aus ei-
nem Sackerl, das ich mir einmal
in Neapel gekauft habe. Weil
die Tomaten dort unten riesig
und fleischig und himmlisch im
Geschmack sind. Dass mir die
alljährlich nicht ganz reif wer-
den, stört mich nicht. Ich kenne
die Unzulänglichkeit der Natur.
Und meine auch.
Wer jetzt glaubt, ich bin ein
begeisterter Hobbygärtner, der
irrt. Im Gegenteil. Ich sehe
überhaupt keinen Sinn darin,
wochenlang Zucchinis zu gie-
ßen, um, sobald sie reif sind,
nicht zu wissen, was ich mit
den vielen Früchten tun soll.
Die werden dann in großer Zahl
an Nachbarn und Bekannte ver-
schenkt, die sie dann meist in
der gleich hohen Zahl direkt
am Komposthaufen entsorgen.
Wieso das nicht jedes Hobby-
gärtnerherz sofort in zwei Teile
zerreißt, werde ich nie verste-
hen.
Da
lobe
ich mir mei-
ne Paradeiser-
stauden an der
Hauswand.
Die tra-
gen ge-
nau so
v i e l e
Früchte,
wie ich
essen kann.
Die Pfeffe-
roni sind so
scharf, dass nur ich sie mag
und die Paprikastauden wirft
der Wind so oft um, dass die
meisten Früchte darauf schon
vor der Reife Opfer von Zwei-
genbrüchen werden. Hobby-
gärtner werden jetzt aufschrei-
en und mir vorwerfen, dass ich
mit viel zu wenig Ernst bei der
Sache bin. Ich halte dem ent-
gegen, dass ich wahrschein-
lich einer der letzten Menschen
bin, die noch die Demut haben,
sich dem natürlichen Kreislauf
der Natur unterzuordnen. Da-
zu gehören Paradeiser, die un-
reif bleiben, weil ich ihnen kei-
ne Glashäuser in der Größe ei-
ner Garconniere baue. Mir sind
auch auf meinem Gartenbeet
mickrige Salatpflanzerl lieber,
als vom Kunstdünger ange-
schwollene Pletschenköpfe, die
dann von irgendeinem Nachbar
ohnedies auf den Komposthau-
fen geworfen werden.
Was ich jetzt damit sagen
will? Nichts, außer vielleicht,
dass ich jetzt schon die schöns-
ten Paradeispflanzerl, Papri-
kastauden oder Pfefferonibü-
scherl auf meinen Bürofenstern
stehen habe. Und dass ich den
Karl Ploberger jetzt im Radio
nur mehr ganz selten und wenn,
dann nur zufällig höre. Weil das
„Magazin für die Frau“ gibt´s
seit Jahren nicht mehr und die
Berieselungsmusik von Andre-
as Gabalier, DJ Ötzi, Helene
Fischer oder Andrea Berg mag
ich nicht und ich bin mir auch
gar nicht sicher, ob meinen
kleinen Pflanzen dieses musi-
kalische Einerlei gut tun wür-
de. Aber beim Karl Ploberger,
da spitzen sie die Blätter. Das
habe ich schon beobachtet.
Rupert Lenzenweger
Des Züchters größter Schatz und innigste Freude: Die Sammlung ausgesuchter Samen und
die ersten zarten Pflänzchen im Minigewächshaus auf dem Fensterbankerl.