Erinnerungen an Dr. Adrian Gaertner

Mit der Biografie von Dr. Adrian Gaertner kann 2020 nach mehrjähriger Arbeit wieder ein Kapitel der Thalgauer Lokalgeschichte durch den Ortshistoriker Bernhard Iglhauser abgeschlossen werden.
Die Präsentation als Freiluftinstallation erfolgt durch Bgm. Johann Grubinger, Vorsitzender des SBW Thalgau und Johannes Niederbrucker, Leiter des Bildungsausschusses.
Adrian Gaertner wurde 9. Juni 1876 als erster Sohn des damaligen Direktors der „Eisenblechwalzwerk Rasselstein“ Nicolaus Gaertner geboren.
Nach der Übersiedlung der Familie 1883 ins idyllische Thalgau absolvierte der hochtalentierte Sohn nach der Volksschule die Salzmannschule „Schnepfenthal“ in Thüringen und dann die Oberstufenjahre in Bonn.
Zu den klassischen Sprachen Griechisch und Latein eignete sich Adrian freiwillig auch Hebräisch an, um die Texte des Alten Testamentes der Bibel studieren zu können. Zusätzlich sprach er Englisch und Französisch fließend und war allen Formen der Kunst und Musik zugetan.
Nach dem Militär studierte er Geologie, Mineralogie und Physik in München.
Zum Sommersemester 1896 wechselte er an die Universität Rostock, wo er mit noch nicht 24 Jahren sein Geologie-Studium mit der Dissertation „Über Vivianit und Eisenspat in mecklenburgischen Mooren“ zum Dr. phil. abschloss.
Der Grundstein für dieses Interesse war bereits bei seinen Thalgauer Wanderungen durch das väterliche „Wasenmoos“ am Thalgauberg gelegt worden.
Bereits 1895 hatte er Kunigunde Linnartz, die Tochter des lothringischen Bergbau-Unternehmers Dr. Gustav Linnartz kennen und lieben gelernt, 1901 erfolgte die Vermählung.
Auf die Bitte seines Schwiegervaters übernahm er im gleichen Jahr die Leitung der von Linnartz 1897 erworbenen „Wenceslaus-Grube“ in Mölke im damaligen Landkreis Neurode in der Grafschaft Glatz.
Unter Gaertners Leitung entwickelte sich die „Wenceslaus-Grube“ schon bald zum modernsten Kohlenbergwerk Deutschlands.
Für seine Leistungen verlieh ihm die Technische Hochschule Breslau die Ehrendoktorwürde.
Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften berief ihn zu ihrem Mitglied.
Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, die auch den Verlust der lothringischen Besitzungen von Gaertners Schwiegervater zur Folge hatte, kam es auch in Mölke zu Arbeiterunruhen unter der Belegschaft.
Nachdem Gaertner in einer Betriebsversammlung sein Konzept für die Zukunft erläutert hatte, wurde er zum Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates gewählt. Neben Lohnerhöhungen setzte sich Gaertner für bessere Wohnverhältnisse der Arbeiter ein.
1919/20 führte er Elektrolokomotiven ein, die 60 Wagen mit 20 km/h ziehen konnten. Damals waren 4.600 Mitarbeiter beschäftigt.
Deutlich bessere Arbeitsbedingungen erreichte man 1926 als er die lückenlose elektrische Beleuchtung einführte.
Über Dr. Adrian Gaertner schrieb am 8. Februar 1929 das „Wiener Handelsblatt“:
„Dabei handelt es sich um einen Mann, dessen technische Leistungen und industriepolitische Wirkung weit über die Grenzen Deutschlands in andere Länder Europas hinausreichten.“
Einen schweren Schlag erlitt die Grube am 9. Juli 1930 durch einen Kohlensäureausbruch, bei dem 151 Bergleute den Tod fanden.
Mit der Stilllegung am 28. Januar 1931 wurden 2.600 Bergleute arbeitslos.
Anschließend erwarb er eine alte Ziegelei und baute diese unter der Firmenbezeichnung „Ziegelwerke Mittelsteine Dr. Adrian Gaertner“ zu einer der modernsten Produktionsstätten Deutschlands aus.
Während des Krieges musste Gaertner Schikanen durch das NS-Regime erdulden.
Man warf ihm vor, dass er die Unabkömmlichkeit wichtiger Mitarbeiter verhinderte und zugleich die gute Behandlung der Fremdarbeiter in seinem Betrieb forcierte.
Nachdem Gaertners Schwiegersohn, Generalmajor Hellmuth Stieff wegen seiner Beteiligung am Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 am 8. August 1944 hingerichtet worden war, wurden in seinem Nachlass auch Briefe und eine Denkschrift Gaertners gefunden, die ihn politisch belasteten.
Darin ist auch dokumentiert, dass es nachhaltig der Einfluss von Dr. Adrian Gaertner war, seinen Schwiegersohn vom Widerstand zu überzeugen, wie ein Brief vom 17. November 1942 belegt.
„Heute ist die Wahrheit zu sagen nicht nur unbequem, sondern gefährlich. Was wir zu glauben haben, bestimmt die Propaganda. Es fehlen in der Heimat die Kreise, welche das Vertrauen besitzen, denn der Partei gehört das Vertrauen nicht und die Geistlichkeit, die dies Vertrauen besäße, ist ausgeschaltet.
Gut, dass ihr nicht hört, wie das Volk denkt und auch redet, ganz offen vor anderen. Wenn der Rundfunk heute spricht, Kritik sei eine Feigheit, so kann man dies nur bedauern. Heute ist Kritik keine Feigheit, sie ist eine Pflicht, solange es noch nicht zu spät ist!
Es ist nicht verwunderlich, dass der einfache gläubige Mensch sich sagt, das könne der liebe Gott nicht hinnehmen.
Dafür und für das, was den Juden widerfahren ist, würde es an der Strafe Gottes nicht fehlen. Wir verlieren den Krieg trotz der ungeheuren Leistungen von Wehrmacht und Volk, weil Gott, den mit Blindheit straft, den er verderben will.“
Am 16. August 1944 wurde Adrian Gaertner verhaftet und im Glatzer Gefängnis inhaftiert.
Am 9. September 1944 entließ man ihn. Bereits am 9. Dezember 1944 verhaftete ihn die Gestapo neuerlich und hielt Gaertner fünf Monate im Glatzer Gefängnis fest.
„Es ist eben doch menschlich, dass sie immer noch hoffen, irgendetwas zu finden, wofür man mir mit Erfolg den Prozess machen könnte. Sie wissen eben nicht, wie machtlos der Mächtigste einem überzeugten Christen gegenüber ist.“
Drei Wochen vor Kriegsende erfolgte am 20. April 1945 seine Entlassung aus dem Gefängnis.
Nach der Besetzung von Mittelsteine am 9. Mai 1945 durch die „Rote Armee“ ist er zwei Tage später zu einem Überfall gerufen worden.
Als er am Tatort eintraf, wurde er von neu angekommenen, plündernden Polen erschossen. Die Beisetzung fand unter dem Schutz einer russischen Wache statt. Sein Haus mit der wertvollen Einrichtung wurde geplündert.
Die Witwe und sein Enkelsohn Peter sind 1946, wie die meisten Deutschen vertrieben worden, das Grab verwüstet.
Am 29. Mai 2004 gelang es Peter Gaertner, die Gebeine seines Großvaters auf den ehemaligen Friedhof an der Mittelsteiner Kirche umzubetten.
Der Grabstein enthält eine zweisprachige Inschrift:
Fest im Glauben – Mutig im Kampf gegen Unterdrückung und Unrecht – Selbstlos im Einsatz für seine Mitmenschen – Bedeutend für Wirtschaft und Handel – Eintretend für Freundschaft und Versöhnung zwischen Deutschland und Polen.
Die Enthüllung der Doppelausstellung „Der Tag, an dem die Amis kamen“ und „Es wird an der Strafe Gottes nicht fehlen“ erfolgt am Dienstag, 5. Mai 2020 um 18:00 Uhr beim „Pinwinkelgut“ am Ortsanfang durch LH-Stv. LR Dr. Heinrich Schellhorn.
Um 19:00 Uhr findet bei der Büste vor dem Gemeindeamt eine Kranzniederlegung zum 75. Todestag von Dr. Adrian Gaertner statt.
In Anschluss wird im Gemeindeamt zum Anlass „100 Jahre Salzburger Festspiele“ die Schautafel-Installation „Von der Barackenstadt zur Jedermann-Bühne“ vorgestellt.
Die Ausstellungen können bis Freitag, 23. Oktober 2020 besichtigt werden.

Dr. Adrian Gartner war ein großer Sohn der Gemeinde Thalgau.