Hier lässt sich der Wasserhahn nie zudrehen

Ich weiß jetzt nicht, ob es im Buch der Rekorde einen offiziellen Eintrag für die Stadt mit den saubersten Autos gibt. Ein heißer Kandidat dafür wäre aber auf jeden Fall das Bergdorf Perrenjas im Osten Albaniens, ganz nahe an der Grenze zu Nordmazedonien und nur wenige Kilometer vom Ohrid See entfernt. Hier gibt es kaum in Haus, vor dem nicht permanent Autos, Teppiche und Kleidung gewaschen werden. Fast jeder männliche Einwohner betreibt eine Autowaschanlage und bietet „Lavzah special“ an. Für wenige Euro wird jeder Wagen liebevoll zunächst mit Wasser vom größten Dreck befreit, mit Waschschaum regelrecht erstickt und dann aufwändig abgespült. Zuletzt werden noch die Reifen und Plastikteile mit einer speziellen Flüssigkeit bepinselt, um sie zumindest für diesen Tag wie neu aussehen zu lassen.

Das Wasser wird während der ganzen Prozedur nicht abgedreht und fließt auch dann unaufhörlich, wenn gerade keine Autos oder Teppiche gewaschen werden. Weil das Wasser kann gar nicht abgedreht werden. Was unglaublich klingt, ist in Perrenjas Normalzustand. 24 Stunden am Tag sprudelt aus tausenden Schläuchen und Brunnen unaufhörlich reinstes Gebirgswasser. Wie es zu diesem Wunder gekommen ist? Die sogenannte Domosdova-Ebene, also die Umgebung Perrenjas, ist eine riesige unterirdische Karstdoline. Irgendwo wurde diese Doline im Zuge von Probebohrungen für verschiedene Bauprojekte angebohrt. Seit her fließt aus unzähligen Quellen das Wasser und kann nicht mehr gestoppt werden. Und so machen die Bewohner Perrenjas aus diesem ungewöhnlichen Geschenke das Beste daraus und waschen Tag und Nacht Kleidung, Teppiche und vor allem: Autos.

Rupert Lenzenweger