Unerwartetes Nachtquartier bei Frederic

Als ich die beiden zum ersten Mal gesehen habe, wirkte Frederic ratlos, seine Frau aber eher schon verzweifelt. Kein Wunder, die beiden waren irgendwie in einer misslichen Lage. Sie haben versucht, eine kleine Pferdekutsche auf einen PKW-Anhänger zu schieben. Jetzt stand die Kutsche zur Hälfte auf dem Hänger und bewegte sich keinen Zentimeter mehr nach vorne. Auslassen konnten Frederic und seine Frau nicht, sonst wäre die Kutsche wieder rückwärts vom Hänger gefallen. Gott sei dank kam ich. Ich zog an der Deichsel, schob hinten am Heck, drehte an den Rädern und schließlich hatten wir die Kutsche auf dem Hänger. Frederic und seine Frau waren glücklich und luden mich und meine Frau auf ein Glaserl ein. Und damit war der Nachmittag eigentlich gelaufen.

Nur wenige Augenblicke vor meiner spontanen Hilfsaktion hatten wir unser Wohnmobil am Parkplatz vor der Kirche in Gueberschwihr geparkt. Das ist ein besonders entzückender Ort im Süden der Weinstraße durch das Elsass. Eigentlich wollten wir nur die Kirche ansehen, ein bisserl durch den Ort bummeln und dann nach Mulhous weiterfahren. Aber der Parkplatz vor der Kirche und direkt neben dem Tor zu Frederics Weingut wurde zu unserem Standort für die Nacht. Und das alles nur, weil uns Frederic und seine Frau nach der Hilfsaktion mit der Kutsche ein Glaserl angeboten hatten. Es blieb aber nicht bei einem. Auch nicht bei zwei. Muss ich noch mehr sagen? Irgendwann kam auch noch eine Jause dazu und schließlich der gute Tipp von Frederic: „Da wo ihr jetzt parkt, könnt ihr ruhig die ganze Nacht stehen bleiben.“ Damit lehnte ich auch die paar Runden Schnaps als Betthupferl nicht mehr ab …

Die Elsässer Weinstraße verläuft in strikter Nord-Süd-Richtung am Fuß der Vogesen und damit am Westrand der Oberrheinebene. Damit bildet sie die südliche Fortsetzung der 18 Jahre länger ausgewiesenen Deutschen Weinstraße. Die Rebhänge mit einer Gesamtanbaufläche von 14.500 Hektar liegen beiderseits der Straße auf einem ein bis drei Kilometer breiten Streifen.

Die etwa 170 Kilometer lange Strecke ist auf kleineren Landstraßen westlich und oberhalb der Autoroute A 35 so geführt, dass sie 67 der 119 Elsässer Weinbaugemeinden und 49 der 51 als „Alsace Grand Cru“ ausgewiesenen Rebflächen berührt. In den vergangenen Jahren hat sich die Elsässer Weinstraße neben einem der wichtigsten Weinanbaugebiete Frankreichs auch zu einem wahren Tourismusmagneten entwickelt. So hat beispielsweise Riquewihr (Reichenweier), ein Ort mit komplett erhaltenem mittelalterlichem Stadtbild mit gut 1.000 Einwohnern, jährlich mehr als eine Million Touristen zu verkraften.

Geschichte des Tourismus

Am 30. Mai 1953 wurde die Elsässische Weinstraße vom Tourismusverband mit zwei Autokonvois eingeweiht: Je ein Konvoi startete vom Nordende des Elsässer Weinbaugebiets in Marlenheim sowie von dessen Südende in Thann und fuhren einander entgegen. Unterwegs fanden mehrere Weinproben und touristische Besichtigungen statt. Trotz schlechten Wetters verbuchte die Regionalpresse die Veranstaltung als erfolgreichen Startschuss für die Route des Vins d’Alsace.

Im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfreute sich die Elsässer Weinstraße bei verbesserter Infrastruktur und steigenden Besucherzahlen immer größerer Beliebtheit. Der Tourismusverband setzt in seiner Werbung inzwischen auf ein Konzept, das den Genuss von Wein und charakteristischer Gastronomie (Gänseleberpastete, Zwiebelkuchen und Sauerkraut) verbinden soll mit einem Aufenthalt in gepflegten Ortschaften mit pittoresken Fachwerkhäusern, der Besichtigung der umliegenden Burgen und Schlösser, dem Besuch von Kunst- und Kulturmuseen.

Beiderseits der Elsässer Weinstraße wachsen im Wesentlichen sieben Rebsorten. Rund in Viertel davon ist der Riesling. Es folgt der Pinot Blanc, dessen Reben rund ein Fünftel der Fläche bedecken. Rund 16 Prozent gehören dem Gewürztraminer, zwölf Prozent dem Pinot Gris und zehn Prozent dem Sylvaner und drei Prozent Muscat. Der Pinot noir ist die einzige rote Rebsorte die hier angebaut wird und macht knapp zehn Prozent des Gesamtertrages aus. Auf rund sechs Prozent der Anbaufläche machen die Weinbauern immer wieder Experimente mit anderen, vor allem seltenen und alten Sorten.

In Colmar befindet sich das Maison des Vins d’Alsace, das eine Weinprüfstelle und eine Weinbauschule für Seminare zur Vorbereitung auf önologische Fachprüfungen unterhält. Hier befindet sich auch ein Dokumentationszentrum für Besucher mit Dauerausstellung, Videopräsentationen und Degustationsraum.

Rupert Lenzenweger

Mit vereinten Kräften: die Kutsche ist am Anhänger.
Hand auf´s Herz: Wer kann eine Einladung auf ein Glaserl in so einem Weingut ausschlagen?
Eguisheim ist ein ganz entzückendes Städtchen an der Elsässer Weinstraße.
Weinreben so weit das Auge reicht. Hier bei Guebersschwihr, ganz in der Nähe von Frederic und seiner Frau. Alle Bilder: Rule